Plan B

Lukas Fiedler

17.07.2023 00:28

Lugano Plan B LogoLugano Plan B

Paolo Ardoino steht zusammen mit dem Stadtpräsidenten Michele Foletti in der Villa Ciani zwischen alten Ölgemälden und spricht mit Journalisten. Er ist der CTO der Kryptobörse Bitfinex und des Stable-Coins Tether – beides Größen in der Szene. Gleich soll es losgehen, das Foyer des angrenzenden Palazzo di Congressi, der Kongresshalle der Stadt, ist bereits gut gefüllt. Der weltweit größte Stable-Coin und die Schweizer Stadt Lugano laden ein.

Sicherlich ist die Schweiz ganz vorne mit dabei, wenn es um Krypto-Adaption geht. Aber eine Einladung von Tether und Lugano? Das verwundert zunächst. Eigentlich ist das Crypto Valley ein Begriff, die Ethereum Foundation sitzt in der Schweiz, genau wie ein Großteil der europäischen Krypto-Unternehmen. Aber Lugano? In Verbindung mit Krypto sind eher Zürich und Zug bekannt, vielleicht auch noch Genf. Doch der Schein trügt, denn hinter der Urlaubsort-Fassade zeigt die Stadt ein ganz anderes Gesicht. 

Blick auf Lugano aus dem städtischen ParkLukas Fiedler
Lugano hat mehr zu bieten als nur den beliebten Lago Maggiore: Die Stadt will zur Bitcoin City aufsteigen.

Lugano selbst liegt, eingerahmt von Bergen, an einem See im Süden der Schweiz im Kanton Tessin, die italienische Grenze ist nur wenige Kilometer entfernt. Hier befindet sich der drittgrößte Finanzplatz der Schweiz, nur Zürich und Genf liegen in der Rangordnung weiter vorne. Paolo Ardoino lebt bereits seit 2017 hier. Warum es ihn aus London in die südliche Schweiz zog, verrät der aus Genua stammende Italiener im Interview vor Ort: „London war der perfekte Ort, um mein Start-up Fincluster aufzubauen. Ein Kunde von mir war ein Unternehmen von Giancarlo Devasini, über ihn bin ich auf Bitcoin aufmerksam geworden.“ Devasini ist heute CFO von Tether und Bitfinex und hat Ardoino seit 2014 immer mehr in die Entwicklung von Bitfinex und Tether eingebunden, bei der damals noch einige technische Probleme zu lösen waren. „Bitcoin war eine Berufung für mich, also habe ich mein Start-up geschlossen. Da Bitfinex und Tether dezentral arbeiten, bin ich wegen der Wärme und der Nähe zur Familie meiner Frau nach Lugano gezogen.“

Verpasse keine wichtige Nachricht rund um Web3, Blockchain, NFT & Co. 🚀

Melde dich jetzt kostenlos zum Blockmagazin-Newsletter an! Unter allen Subscribern verlosen wir monatlich 5x das Blockmagazin für die Dauer von 1 Jahr.¹ Außerdem empfehlen wir Dir auch ein kostenloses Abo des Blockstories-Newsletters.

Ja, ich möchte auch den Blockstories-Newsletter kostenlos erhalten.²

1 Wenn du nur am Gewinnspiel teilnehmen willst, sende einfach eine E-Mail an gewinnspiel@blockmagazin.de. Die Teilnahmebedingungen findest du hier

2 Datenübermittlung an Blockstories: Wir übermitteln Deine E-Mail-Adresse zum Zwecke des Newsletterversands an Blockstories (Blockstories UG, Mühlenstraße 8A, 14167 Berlin).

Der LVGA-Token und der Weg zur Bitcoin City

Es kommt, wie es kommen muss: Über gemeinsame Freunde lernen sich Ardoino und Stadtpräsident Foletti kennen. Man unterhält sich über El Salvadors Pläne und die Rolle von Bitfinex bei den sogenannten Volcano-Bonds. „Wenn El Salvador Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptiert, warum sollte das Lugano nicht auch tun?“, fragt Ardoino und ergänzt: „Ich finde, es sollte auf jedem Kontinent eine Art Bitcoin City geben. In Mittelamerika gibt es San Salvador, in Nordamerika sticht Miami heraus, und dann gibt es da noch Dubai und Singapur. Natürlich gibt es auch einige Städte in Europa, die sich mit Bitcoin und Krypto beschäftigen, aber die Regulierungen machen es in den meisten Ländern Europas schwer. In der Schweiz hingegen haben Institutionen viel mehr Freiraum, neue Dinge auszuprobieren. So entstand die Idee hinter Luganos Plan B.“ „Lugano experimentiert seit dem CoronaLockdown mit Kryptowährungen“, ergänzt Foletti auf Italienisch, Pietro Poretti, Direktor der Stadtentwicklungsbehörde, übersetzt. Mit dem Ziel, lokale Unternehmen zu unterstützen, entwickelte die Stadt die MyLugano-App und einen eigenen Token, den LVGA. Der Token kann für Bezahlungen bei allen teilnehmenden Shops, Restaurants und Unternehmen eingesetzt werden, Stand heute sind es laut Foletti etwa 150 Firmen. Der Umrechnungskurs ist festgelegt: 100 LVGA entsprechen einem Schweizer Franken. Zeigt man beim Bezahlen die MyLugano-Card vor, erhält man 5 Prozent Cashback in LVGA-Tokens als Einwohner von Lugano sogar 10 Prozent. Zu lange sollte man die Tokens übrigens nicht in seinem Wallet liegen lassen: Sie haben ein Verfallsdatum und sollen so den Konsum und den Wirtschaftskreislauf ankurbeln. Technologische Grundlage für den Token ist die 3AChain, eine eigens von der Stadt Lugano entwickelte Blockchain. 

Luganos Plan B

Anlass dafür, dass sich die Krypto-Szene der Welt heute in der Kongresshalle von Lugano trifft, ist der nächste Schritt der Stadt auf dem Weg hin zu einer Schweizer Bitcoin City: Der sogenannte Plan B (wobei das B natürlich als Bitcoin-B geschrieben werden müsste) wird kurz nach den Interviews in der Villa Ciani vor rund 1.000 Gästen der Öffentlichkeit präsentiert. Schnell wird klar: Lugano wird in Zukunft noch stärker auf den LVGA-Token setzen, aber auch auf Bitcoin und Tether. Um der neue Mittelpunkt für Blockchain-Technologie zu werden, werden zwei neue Fonds aufgesetzt. Der kleinere mit einem Volumen von 3 Millionen Schweizer Franken wird Unternehmen in Lugano dabei unterstützen, Bitcoin (unter Verwendung des Lightning-Netzwerks, welches den Einsatz von Bitcoin zum Bezahlen durch schnelle Transaktionen ermöglicht), Tether (auf Basis der Polygon-Blockchain) und den LVGA-Token zu akzeptieren. Außerdem, so der Plan, sollen auch Steuern und andere Leistungen der Stadt mit diesen drei Währungen bezahlt werden können. 

Tether CTO Paolo Ardoino und Michele Foletti auf der Plan B Konferenz in Lugano

„Die Regulierungen machen es in den meisten Ländern Europas schwer. In der Schweiz haben Institutionen viel mehr Freiraum, neue Dinge auszuprobieren. So entstand die Idee hinter Luganos Plan B.“

Der zweite Fonds hat ein Volumen von 100 Millionen Schweizer Franken und soll Firmen unterstützen, die sich in Lugano niederlassen möchten. Auch hier ist die Bedingung, dass man einen Bezug zu den bereits genannten Währungen hat. Das Geld wird von Polygon und weiteren, nicht konkret genannten „Infrastrukturpartnern“ bereitgestellt. Zentrum dieser Start-up-Offensive soll ein neuer Co-Working-Space werden, der Platz für etwa 300 Blockchain-Enthusiasten bietet. Dass die Blockchain-Szene gerade händeringend nach qualifizierten Entwicklern sucht, die einen solchen Space füllen könnten, wissen auch Ardoino und Foletti. Deshalb kooperiert Lugano mit Universitäten, und es sollen mehr als 500 Studierende ein Stipendium erhalten, um die zukünftigen Job-Positionen der Krypto-Unternehmen zu besetzen. Beim letzten großen Punkt des Plans geht es um das Mining von Bitcoins: Mining soll in der Umgebung um Lugano unterstützt werden – gleichzeitig aber auch grün sein, das heißt, dass nur erneuerbare Energien zum Einsatz kommen. 

Sollte der Plan tatsächlich so umgesetzt werden und sich auch zahlreiche Krypto-Unternehmen in der Stadt ansiedeln, ist Lugano tatsächlich auf dem besten Weg, eine Art Bitcoin City zu werden und, so das Ziel, Bitcoin, Tether und der LVGA de facto ein Zahlungsmittel in der Stadt werden. Dabei kann man sich fast sicher sein, dass sich auf einer mikroökonomischen Ebene vieles schneller entwickeln wird, als das zum Beispiel in El Salvador der Fall ist. Schließlich sind die technischen Grundvoraussetzungen für die Integration von Kryptowährungen gegeben, außerdem haben viele Menschen bereits von Kryptowährungen gehört und besitzen eine gewisse Basis an technologischem Verständnis. Es wird interessant sein zu beobachten, wie schnell die beschlossenen Pläne umgesetzt werden können und wie weit Lugano bis zum Herbst gekommen ist: Spätestens dann wird Lugano wieder im Fokus der Aufmerksamkeit der Krypto-Szene stehen, denn im Oktober wird im Kongresszentrum das dreitägige Bitcoin World Forum veranstaltet, bei dem Branchen-Bekanntheiten wie Samson Mow von Blockstream oder der US-Publizist Max Keiser mit dabei sein werden – ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Bitcoin City.