Una visita a El Salvador

Lukas Fiedler

17.07.2023 00:18

Strand Sonne und MeerLukas Fiedler

Seit September 2021 gilt in El Salvador der Bitcoin neben dem US-Dollar als offizielles Zahlungsmittel. Blockmagazin-Herausgeber Lukas Fiedler war vor Ort.

Seit September 2021 gilt in El Salvador der Bitcoin neben dem US-Dollar als offizielles Zahlungsmittel. Blockmagazin-Herausgeber Lukas Fiedler war vor Ort.

Es ist 21.43 Uhr Ortszeit, pünktlich setzt der Kapitän die Boeing 737-800 von Flug UA 1194 auf der Landebahn in San Salvador auf. In meinem Kopf ziehe ich einen Vergleich zu den vorherigen Landungen in Frankfurt am Main und Washington, D.C. seiner Kollegen von der Lufthansa, bei dem er nicht gut wegkommt – deutlich zu rabiat für die angenehmen Wetterverhältnisse, etwas 

über 20 Grad und eine leichte Brise. Das ist allerdings zweitrangig, denn nach etwa 18 Stunden Reisezeit bin ich froh, angekommen zu sein. Auf dem Weg zur Einreise findet man relativ wenige Hinweise darauf, dass Bitcoin hier seit Kurzem als gesetzliches Zahlungsmittel akzeptiert wird. Lediglich der Chivo-Geldautomat neben den regulären Automaten zeugt davon. Den lasse ich allerdings links liegen, ich möchte zunächst ganz normal US-Dollar mit meiner Kreditkarte abheben. Aber: Der Automat lehnt meine Karte mit Hinweis auf einen falschen Pin ab, ganz egal, wie oft ich es probiere. Eigentlich wollte ich das mit den US-Dollar auch schon beim Umsteigen in Washington erledigt haben. Da die Einreise dort aber den Großteil meines Aufenthalts in Anspruch genommen hat, ging es direkt danach zum Boarding nach San Salvador. Selber schuld, ich hätte mich besser vorbereiten sollen. Eine Wechselstube gab es zwar in Washington am Flughafen, in San Salvador aber sehe ich keine. Und wenn, hätte sie vermutlich schon geschlossen.

Das macht den Test in den kommenden fünf Tagen nur umso authentischer. Wie weit kommt man mit sieben Dollar in Cash (gerade so viel hatte ich zu Hause noch von einer früheren Reise übrig) und einer digitalen Kreditkarte in El Salvador? 

Ein Bitcoin-Wallet zum Bezahlen habe ich noch nicht eingerichtet, auch das schiebe ich auf meinen akuten, durch die Planung dieser Ausgabe verursachten, Zeitmangel. Einen Fahrer habe ich mir vom Hotel organisieren lassen für den Transfer zum Hotel in San Salvador, der Hauptstadt, der etwa eine Stunde dauert und 30 Dollar kostet. Den Fahrer selbst schätze ich um die 50, er spricht kein Wort Englisch und mein Spanisch-Wortschatz liegt quasi auch bei Null. Die wenigen Megabyte, die im Handy-Vertrag in Mittelamerika zu sehr hohen Preisen enthalten sind, werden also für den GoogleTranslator verwendet. Auf der dunklen Straße, die mich ein bisschen an die USA erinnert, unterhalten wir uns bruchstückhaft über Fußball und Autos. Natürlich frage ich ihn auch, was er vom Bitcoin hält und davon, dass El Salvador diesen jetzt als Zahlungsmittel akzeptiert. Er lacht und jedenfalls verstehe ich ihn so, dass er nicht so recht weiß, was er davon halten soll. Er macht mit seiner Hand eine Bewegung nach unten und oben – völlig klar, er spielt auf die Volatilität des Bitcoin an. Danach möchte er wissen, wie viel ein Bitcoin eigentlich wert ist, und nach einigen Versuchen gelingt es mir auch, „etwas mehr als 40.000 USD“ (zu diesem Zeitpunkt jedenfalls) in Spanisch auszudrücken.

Verpasse keine wichtige Nachricht rund um Web3, Blockchain, NFT & Co. 🚀

Melde dich jetzt kostenlos zum Blockmagazin-Newsletter an! Unter allen Subscribern verlosen wir monatlich 5x das Blockmagazin für die Dauer von 1 Jahr.¹ Außerdem empfehlen wir Dir auch ein kostenloses Abo des Blockstories-Newsletters.

Ja, ich möchte auch den Blockstories-Newsletter kostenlos erhalten.²

1 Wenn du nur am Gewinnspiel teilnehmen willst, sende einfach eine E-Mail an gewinnspiel@blockmagazin.de. Die Teilnahmebedingungen findest du hier

2 Datenübermittlung an Blockstories: Wir übermitteln Deine E-Mail-Adresse zum Zwecke des Newsletterversands an Blockstories (Blockstories UG, Mühlenstraße 8A, 14167 Berlin).

Dass Bitcoin vor einigen Jahren deutlich weniger wert war, kriege ich dann aber doch nicht vernünftig übersetzt. Auf dem Weg zum Hotel bekomme ich gleichzeitig den ersten Eindruck, wie geteilt El Salvador ist, was das Vermögen seiner Bewohner angeht. Während ein Teil der Autos aussieht wie in den USA, vornehmlich asiatische Modelle, gibt es auch fragwürdige Vehikel komplett ohne Licht. 

Eine Grafik, die eine Karte von El Salvador zeigt sowie die wichtigsten Orte und Informationen über das LandMartin Kaumanns
El Salvador in der Übersicht: Die wichtigsten Orte und Fakten.

Angekommen im Hotel geht der Check-in nur mit der physischen Kreditkarte. Der Mitarbeiter an der Rezeption erklärt mir, dass man nur so einen Betrag auf der Karte reservieren könne, beispielsweise für das Frühstück oder die Fahrt vom Flughafen. Gott sei Dank klappt das auch beim zweiten Anlauf ohne den Pin, und ich beziehe mein Zimmer. Um ein besseres Gefühl zu haben, entschließe ich mich trotz der anstrengenden Reise noch ein Bitcoin-Wallet auf dem Handy aufzusetzen. Ich lade das von der salvadorianischen Regierung entwickelte Chivo Wallet herunter und muss feststellen, dass man nur als Staatsbürger einen Account erstellen kann. Das überrascht mich, habe ich doch eigentlich in zahlreichen Blogs schon Erfahrungsberichte gelesen – aber vermutlich nicht richtig. Ich entschließe mich also nach kurzer Recherche, das „BlueWallet“ herunterzuladen. Und siehe da, das UI ist schön simpel gehalten und ich kann per virtueller Kreditkarte über einen externen Anbieter, der sich „Moonpay“ nennt, Bitcoin erwerben und intern auf ein Lightning-Wallet verschieben. So endet der Ankunftstag immerhin mit einem kleinen Teilerfolg. Ohne Lightning wäre an einfaches Bezahlen mit Bitcoin nicht zu denken, da reguläre Transaktionen viel zu lange dauern würden. Mit dem zusätzlichen Lightning-Layer soll man Transaktionen so schnell durchführen können, dass man bei einem Händler an der Kasse problemlos bezahlen kann. Das gilt es zu testen. 

Das Chivo Wallet ist das eigens von El Salvador entwickelte Bitcoin-Wallet, mit dem Lightning-Transaktionen zur Zahlung in Bitcoin getätigt werden können. Registrieren können sich dabei nur Salvadorianerinnen und Salvadorianer, die mit der Erstellung eines Wallets einmalig 30 Dollar in Bitcoin erhalten.
Zwar nutzten laut eines Tweets von Präsident Bukele bereits drei Wochen nach dem Start etwa 30 Prozent der Bevölkerung die App, es gab aber auch Berichte über gravierende Probleme wie verloren gegangene Transaktionen, schlechten Support und Sicherheitslücken. Das Wallet selbst ist dabei ein Custodial-Wallet,
das heißt, die Wallet lässt sich gewissermaßen mit einem Bankkonto vergleichen und die Behörden können Assets einfrieren oder entziehen. Gleichzeitig sind so aber auch Gratistransfers zwischen zwei Chivo Wallets möglich. Dies ist von Vorteil, da viele Bürger El Salvadors in die USA auswandern und von dort aus Geld nach Hause senden.

PRIMER DÍA: STARBUCKS UND EINE SIM-KARTE FÜR ZWEI DOLLAR 

In El Salvador gibt es wenige beziehungsweise eher sehr wenige Touristen und noch weniger Europäer. Das ist jedenfalls der Eindruck, der sich beim Frühstück verfestigt. An meinem ersten richtigen Tag in El Salvador ist die oberste Priorität, etwas mit Bitcoin zu kaufen und danach einen Geldautomaten zu finden, der US-Dollar gegen Bitcoin ausgibt. Es ist ein Sonntag, deswegen ist an ein Gespräch mit der Bank über die nicht funktionierende Kreditkarte nicht zu denken. Auch wenn an sich eine virtuelle Karte auf dem Handy reicht – Dollar-Scheine in der Tasche können als Back-up nicht schaden. Neben meinem Hotel, dem Crowne Plaza, steht ein markantes hohes Bürogebäude aus Glas mit der Aufschrift „World Trade Center San Salvador“. Später lerne ich, dass sich in dem Gebäude primär Büros befinden. Heute ist hier eine Art Kunstmarkt. Es tummeln sich viele kleine Stände mit handgefertigten Produkten und neuen Ideen. Für mich viel relevanter ist allerdings der Starbucks, der in dem amerikanisch anmutenden Komplex neben Buffalo Wings und einem Lernzentrum für Kryptowährungen angesiedelt ist. Aus verschiedenen Berichten über El Salvador weiß ich, dass hier sicher Bitcoin akzeptiert werden – und tatsächlich: Das Getränk für vier Dollar lässt sich mithilfe des Gratis-WLANs in Bitcoin über mein BlueWallet bezahlen. Dazu erstellt mir der Verkäufer einfach auf dem Handy einen QR-Code, den ich mit meinem Wallet scanne, und ich kann die Transaktion mit einem Klick losschicken. Grob abgeschätzt mit Wechselkurs und Gebühren ist das nicht nur sehr nah am tatsächlichen Preis in Dollar, es geht tatsächlich auch in unter einer Minute, dass die Bitcoin-Zahlung beim Händler eintrifft. Das ist schon ein cooles Gefühl, besonders, weil ich mich bisher immer gesträubt hatte, Bitcoin auch als eine Möglichkeit zur Bezahlung zu sehen. Durch Lightning scheine ich tatsächlich umdenken zu müssen. 

Eine Straße in San Salvador auf dem Weg zum Vulkan, sonniger Tag, ein Auto steht am StraßenrandLukas Fiedler
Auf dem Weg zum Vulkan in San Salvador, vorbei an kleinen Straßenständen und Siedlungen.

Straße in El SalvadorDanach geht es mit Miguel, einem Fahrer vom Hotel, hoch zum erloschenen Vulkan, der direkt neben San Salvador liegt. Miguel spricht leider auch kein Englisch, das stört aber nicht, wir unterhalten uns mit dem Google Translator über Miguels Hotspot. Auf der zwanzigminütigen Fahrt merkt man erneut etwas vom starken Kontrast, der in El Salvador herrscht. Einerseits erinnern manche Teile sehr stark an die USA, andererseits gibt es auch viel offensichtliche Armut. Die Straße ist gesäumt von kleinen Straßenshops, in denen die Inhaber Obst und kleine Mahlzeiten anbieten. Nach dem Besuch des Nationalparks an der Spitze des Vulkans – der Eintritt kostet mich drei meiner kostbaren Dollarscheine, denn Bitcoin wird hier nicht akzeptiert – setzt mich Miguel bei der Mall „Galerias“ ab. Laut den Mitarbeitern im Hotel soll sich hier ein ChivoGeldautomat und somit eine Quelle frischer DollarScheine befinden. Das stellt sich zwar als falsch heraus, aber ich kann für zwei Dollar in Cash eine Sim-Karte mit 4,5 GB Flat erstehen. Die dürfte nicht unwesentlich sein, wenn ich unterwegs mit Bitcoin bezahlen möchte, auch wenn das Netz in El Salvador noch etwas löchriger als in Deutschland ist. Abends treffe ich zwischen den kleinen Ständen beim World Trade Center zwei junge Salvadorianer, die Ginger-Craftbeer herstellen. Beide sprechen Englisch, also frage ich sie, was sie von Bitcoin halten und warum sie es an ihrem Stand nicht akzeptieren. Es stellt sich heraus, dass beide sich noch nicht das Chivo Wallet heruntergeladen haben. Einer der beiden arbeitet für eine NGO und möchte seine Daten nicht bei der Registrierung preisgeben. Er ist viel in den ländlichen Gegenden unterwegs und sieht Präsident Bukele und die Einführung von Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel eher kritisch. Denn: Das würde alles nichts an der Situation der armen Menschen auf dem Land ändern, die weder Handy noch Erspartes besitzen – Grundvoraussetzungen, um mit Bitcoin überhaupt etwas anfangen zu können. Nach meinem GingerBeer-Cocktail stellt er noch den Kontakt zu Natalia Fernández her, die für die NGO „Mi Primer Bitcoin“ (Mein erster Bitcoin) arbeitet und die mir mehr über die Bitcoin-Arbeit in den ländlichen Communities erzählen kann. 

SEGUNDO DÍA: ERSTE ERFAHRUNGEN MIT DEM CHIVO-GELDAUTOMATEN 

Statt im Hotel frühstücke ich bei Starbucks, um auf jeden Fall auch heute etwas mit Bitcoin bezahlt zu haben. Der Starbucks-Mitarbeiter hat sich meinen Namen gemerkt, und diesmal lasse ich mir den Kassenzettel geben, als Andenken. Tatsächlich sind alle Beträge wie gehabt in Dollar, lediglich unten auf dem Kassenzettel gibt es eine kleine Notiz, dass ich mit einem Crypto Wallet bezahlt habe. Mit Miguel geht es danach in die Innenstadt von San Salvador. Die verschiedenen Reiseblogs, die ich gelesen hatte, haben recht, San Salvador ist nicht unbedingt eine schöne Stadt. Der Verkehr ist dicht und unübersichtlich und die Straßen sind gesäumt von kleinen Shops. Der Platz um die katholische Kathedrale ist schon deutlich schöner, daneben steht das Nationalmuseum. Auf der angrenzenden Baustelle wird die von China bezahlte Bibliothek gebaut. Auf dem Platz selbst findet wohl gerade ein Briefing für die Polizei statt. Oder ist es doch das Militär? Die 30 Mann starke Truppe mit M16 und Tarnanzug strahlt vor allem Sicherheit aus – die starke Präsenz von Sicherheitskräften ist Teil von Präsident Bukeles Strategie gegen die Gangs in El Salvador. An einer Straßenecke ist hier auch endlich ein Chivo-Geldautomat zu finden. Dieser steht auf einer Art Holzplattform, auf der auch Sitzmöglichkeiten und ein mehrköpfiges Support-Team zu finden sind. Ich habe Glück, hier sind gerade US-Dollar verfügbar. Das ist, wie ich erfahre, nicht immer der Fall. Der Prozess am Automaten ist relativ einfach und kann auch auf Englisch durchgeführt werden. Zunächst muss ich meine HandyNummer eingeben und einen Code, den ich per SMS erhalte, als Verifikation eingeben. Anschließend wähle ich, wie viel ich abheben möchte (es sind nur 20-Dollar-Schritte möglich) und es erscheint eine Zahlungsanweisung in Form eines QR-Codes, den ich mit meinem Wallet scanne. Die initiierte Transaktion ist allerdings keine Lightning-, US-Dollar verfügbar. Das ist, wie ich erfahre, nicht immer der Fall. Der Prozess am Automaten ist relativ einfach und kann auch auf Englisch durchgeführt werden. Zunächst muss ich meine HandyNummer eingeben und einen Code, den ich per SMS erhalte, als Verifikation eingeben. Anschließend wähle ich, wie viel ich abheben möchte (es sind nur 20-Dollar-Schritte möglich) und es erscheint eine Zahlungsanweisung in Form eines QR-Codes, den ich mit meinem Wallet scanne. Die initiierte Transaktion ist allerdings keine Lightning-, sondern eine ganz normale Bitcoin-Transaktion. Da der Geldautomat das Geld erst nach einer Bestätigung der Transaktion ausgibt, muss ich warten, bis der nächste Bitcoin-Block gemined wurde – im Schnitt passiert das alle 10 Minuten. Ich erhalte einen Zettel mit einem Code, mit dem ich die Abhebung nach der Bestätigung vornehmen kann. Zeit, ein wenig die Gegend zu erkunden. Zu meiner Überraschung klappt die Abhebung dann aber doch nicht. Der Geldautomat sagt, dass der Code nicht gültig sei. Das bedeutet, ich muss dem Chivo-Support via Whatsapp schreiben. Die nette Frau vom Chivo-Team vor Ort hilft mir dabei, sonst wäre ich aufgeschmissen, denn auch hier wird nur Spanisch gesprochen. Vor meiner Reise habe ich aus anderen Erfahrungen den Eindruck gewonnen, dass der Support eher schlecht ist und manche Support-Tickets sich über mehrere Tage hingezogen haben. Mithilfe des Teams vor Ort schicke ich ein Bild meines Ausweises und Details zu meiner Transaktion an den Support, der wirklich schnell antwortet. Am Ende muss ich dann aber doch warten – nach Einreichung aller Dokumente muss eine Entscheidung aufseiten des Supports gefällt werden, die bis zu 24 Stunden in Anspruch nehmen kann. Es geht also erst einmal unverrichteter Dinge weiter zu meinem Termin mit William Soriano. Er ist Kongressabgeordneter der Regierungspartei in El Salvador, ich kenne ihn über die BlockchanceKonferenz in Hamburg, bei der er zu Besuch war. Er empfängt mich im Palacio Legislativo für unser Interview. 

Nayib Bukele, 40, ist der aktuelle Präsident von El Salvador. Mit 18 führte er sein erstes Unternehmen und brach sein Studium zugunsten eines Jobs in der Werbefirma seines Vaters ab. Seit 2011 widmet er sich der Politik und 2012 wurde er Bürgermeister der Stadt Nuevo Cuscatlán, wobei er für die linke Partei
FMLN antrat. 2015 gewann er dann die Bürgermeisterwahl der Hauptstadt San Salvador, wurde jedoch 2017 aus der FMLN ausgeschlossen, woraufhin er seine eigene Partei Nuevas Ideas (Neue Ideen) gründete. Im Februar 2019 wurde er schließlich zum Präsidenten gewählt, wobei er aus organisatorischen
Gründen für die Mitterechts-Partei GANA antrat. 2021 errang seine Partei Nuevas Ideas 56 der 84 Sitze im salvadorianischen Kongress. Bukele genießt in El Salvador hohe Zustimmungswerte und kommuniziert hauptsächlich über Twitter. Kritiker werfen ihm vor, die Meinungsfreiheit und Menschenrechte einzuschränken.

TERCER DÍA: DER BITCOIN BEACH 

Tatsächlich ist am nächsten Tag ein Code vom Chivo-Support da, mit dem ich an demselben Geldautomaten die Abhebung erfolgreich vornehmen kann. Danach geht es weiter Richtung Küste, steil bergab. Nach etwa einer dreiviertel Stunde kommt der Pazifische Ozean in Sicht, noch weitere 20 Minuten entlang der Küste und man erreicht den Bitcoin Beach in El Zonte. El Zonte ist ein 3.000-Seelen-Ort, mit viel Natur, noch viel mehr Surf-Brettern und einigen teuren Hotels.

Ein Schriftzug zur Begrüßung in El ZonteLukas Fiedler
In El Zonte, dem Bitcoin Beach, ist Bitcoin allgegenwärtig.
EL ZONTE: Bitcoin Beach und der Start von etwas Großem In El Zonte, auch bekannt als Bitcoin Beach, fing alles an – noch bevor Bitcoin zum offiziellen Zahlungsmittel wurde. 2005 zog es den Surfer Mike Peterson aus Kaliforniern hierher und er begann, sich vor Ort in verschiedenen Wohltätigkeitsprojekten einzubringen. Vier Jahre später meldet sich ein Amerikaner bei ihm, ebenfalls aus Kalifornien, der anonym bleiben möchte und ein Vermögen mit Kryptowährungen verdient hat. Er spendet einen sechsstelligen Betrag,
aber in Bitcoin – das war seine Bedingung. Peterson ruft eine Organisation ins Leben, die er „Bitcoin Beach“ nennt und beginnt mit einem Team, Jugendliche für Arbeiten mit Bitcoin zu bezahlen. Doch erst durch Corona hebt das Projekt ab, denn Peterson unterstützt jede der 500 Familien in El Zonte mit 35 US-Dollar in Bitcoin pro Monat. El Zonte hat keine Bank, und zusammen mit dem steigenden Bitcoin-Kurs und durch das Engagement von Bitcoin Beach entsteht ein eigener Bitcoin-Wirtschaftskreislauf. Anfang 2021
kam schließlich Jack Mallers nach El Zonte, um sich selbst ein Bild davon zu machen. Er ist der Gründer von Strike, einem mobilen Bitcoin-Zahlungsanbieter und zieht nach einem Monat in El Zonte weiter nach San Salvador. Während seine Firma aufgrund der Möglichkeit, gratis Überweisungen zu tätigen, überall in den Nachrichten ist, wird er via Twitter vom Bruder des Präsidenten kontaktiert und eingeladen. Das Ergebnis: Nach zahlreichen Treffen und Beratungsgesprächen mit Präsident Bukele akzeptiert El Salvador Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel.

Wirklich repräsentativ ist mein Eindruck nicht, denn es sind wirklich nur sehr wenige Menschen und einige Surfer in Sicht. Auch kann ich das T-Shirt, das ich als Souvenir kaufen möchte, nicht mit Bitcoin kaufen. Da das so überhaupt nicht den Erfahrungen und Schilderungen anderer entspricht, entschließe ich mich nach kurzer Zeit mit Miguel ein kurzes Stück an der Küste zurück nach El Tunco zu fahren (für mehr Informationen über El Zonte unabhängig von meinen Eindrücken: siehe Kasten). Dort säumen farbige Häuser mit Cafés und kleinen touristischen Shops die Straße zum Strand. Der Ort wirkt deutlich lebendiger, und ich treffe Ana, die an einem kleinen Stand Schmuck verkauft. Um sie für eines ihrer Stücke zu bezahlen, frage ich sie nach Bitcoin. Es stellt sich heraus, dass sie zwar die App der Kryptobörse Binance und einen Account, aber noch kein Bitcoin-Lightning-Wallet für den Zahlungsverkehr mit Bitcoin besitzt. Dazu kommt, dass sie keine Internet-Flat hat. Trotzdem kann ich sie schnell davon überzeugen, sich über meinen Hotspot die BlueWallet-App herunterzuladen und einzurichten. Ich erkläre ihr den Unterschied zwischen dem normalen und dem Lightning-Wallet in der App und sie erstellt einen QR-Code für die Zahlung. Ab hier macht meine App der Transaktion allerdings einen Strich durch die Rechnung und zeigt einen API-Fehler an. Egal was wir probieren, es will nicht klappen, und ich bezahle schließlich bar. 

Um Pläne wie die geplante Bitcoin Stadt zu finanzieren, plant Salvador die Herausgabe der sogenannten Volcano-Bonds. Mithilfe dieser Anleihen möchte das Land eine Milliarde Dollar zur Verfügung gestellt
bekommen, wobei die eine Hälfte in Bitcoin und die andere Hälfte in Mining und Infrastruktur investiert werden wird. Die Anleihe wird eine voraussichtliche Laufzeit von 10 Jahren bei einer Verzinsung von 6,5
Prozent besitzen (herkömmliche Staatsanleihen von El Salvador besitzen einen Zinssatz von ca. 13,5 Prozent) und wird auf dem Liquid Network der Firma Blockstream durch die Kryptobörse Bitfinex in 100 $-Tranchen herausgegeben.

CUARTO Y QUINTO DÍA: WIE STEHT ES UM DIE ADAPTION AUF DEM LAND

Wirklich viel Konkretes mit Bitcoin passiert nicht mehr an meinen letzten beiden Tagen in El Salvador. In Tazumal beim Eingang zur Maya-Stätte zeigt sich erneut, dass die Wallets manchmal ihren eigenen Kopf haben. Während mein BlueWallet den Chivo-QR-Code für die Eintritts-Zahlung auf dem Handy des Kontrolleurs nicht lesen möchte, klappt das bei Miguel ohne Probleme. Das bedeutet für uns eine Dreiecks-Transaktion, denn seltsamerweise kann mein BlueWallet QRCodes von Miguels Chivo Wallet lesen. Ich sende also 5 Dollar in Bitcoin an Miguel, die dieser wiederum an den Kontrolleur sendet. Etwas kompliziert, aber es klappt. An meinem letzten Abend treffe ich dann noch Natalia Fernández von der NGO „Mi Primera Bitcoin“ und spreche mit ihr über die Auswirkungen von Bitcoin in den ländlichen Gegenden von El Salvador.

CONCLUSIÓN 

Alleine in El Salvador, mit viel Kamera-Equipment, aber nur für fünf Tage: Um interessante erste Erfahrungen zu machen, reicht das aus, vor allem wegen der auffallenden Freundlichkeit der Salvadorianer. Für eine abschließende Meinung muss man natürlich viel länger vor Ort sein und den gesamten Strom aus Nachrichten und Berichten betrachten. 

Etwas mehr als ein halbes Jahr nach der offiziellen Einführung des Bitcoin als zweites offizielles Zahlungsmittel neben dem US-Dollar muss man die Situation für ein erstes Fazit meiner Meinung nach aus zwei Blickwinkeln betrachten: Der mikroökonomische Blickwinkel: Ehrlicherweise hätte ich erwartet, an mehr Stellen mit Bitcoin bezahlen zu können. Inwieweit das an den Umständen und meiner Art zu Reisen liegt, lässt sich schwer abschätzen. Im Alltag spielt Bitcoin bei den meisten Bürgerinnen und Bürgern und Restaurants eine (noch) untergeordnete Rolle. Es ist fast schon ein Henne-Ei-Problem: Es gibt zu wenige, die Bitcoin verwenden, und deshalb gibt es, überspitzt formuliert, keinen Anreiz, Bitcoin zu verwenden. Dazu kommen Walletund Geldautomaten-Probleme, sowie ein schlechter bis sehr schlechter Wissensstand um die Technologie und deren Verwendung. Die meisten erfuhren erst am Tag der Bekanntgabe von Präsident Bukele von Bitcoin. Es ist richtig, Bitcoin kann die Situation vieler armer Menschen auf dem Land deutlich verändern, denn die meisten haben keinen Zugang zu einem Bank-Account. Gleichzeitig brauchen viele aber auch zunächst ein Handy und etwas Erspartes, um überhaupt Bitcoin sinnvoll einsetzen zu können. Die Nutzerzahlen von Chivo sprechen hier dennoch von einem Erfolg. Wie erwartet ist die Verwendung von Bitcoin dann doch einfacher als die Einrichtung eines Bank-Accounts. Noch, muss ich sagen, fand ich die Verwendung von Bitcoin als Zahlungsmittel etwas abenteuerlich. Aber: Wie man am Beispiel von Starbucks sieht, sie kann eben auch problemlos und sehr einfach funktioneren. Hier erwarte ich von ähnlichen Restaurants, dass diese nachziehen. Die Ressourcen hierfür sind auf jeden Fall vorhanden. Fairerweise muss man sich bei aller Kritik aber auch zwei entscheidende Gegenfragen stellen: Kann man wirklich erwarten, dass nach so kurzer Zeit bereits alles reibungslos funktioniert? Und würden nicht andere Länder genau dieselben Probleme bekommen? Ich denke: Was zählt ist dass an den Problemen kontinuierlich gearbeitet wird, um sie aus dem Weg zu räumen. Dieses Gefühl habe ich ein Stück weit bekommen. Ein wichtiger Zusatz und großer Pluspunkt: Ohne Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel hätte ich nie die Chance gehabt, an USDollar zu kommen, und hätte Miguel mit 15 Prozent Aufpreis über das Hotel bezahlen müssen – mein Trip wäre also deutlich unangenehmer verlaufen. 

Der makroökonomische Blickwinkel: Aus meiner Sicht wurde die Entscheidung von El Salvador besonders aus makroökonomischen Überlegungen heraus getroffen. Dass es zu den beschriebenen Problemen innerhalb des Landes kommen würde, war Präsident Bukele und der Regierung sicherlich bewusst. Bei der Akzeptanz von Bitcoin geht es vor allem um eines – und das habe ich besonders bei dem Gespräch mit William Soriano gemerkt: den Wunsch nach Veränderung. Die Regierung möchte El Salvador nicht mehr auf Seite 20 in der Berichterstattung sehen, man möchte auf der Titelseite stehen. Weg vom langsamen Status quo und hin zu mehr Bewegung. Das funktioniert zurzeit, da dieRegierungspartei im Kongress eine komfortable Mehrheit hat. Das war in der letzten Legislaturperiode nicht der Fallt. Mit El Zonte hatte El Salvador dabei bereits vor der landesweiten Akzeptanz des Bitcoin einen Ort, an dem sehr viel mit Bitcoin gehandelt wurde – das dürfte bei der Entscheidung durchaus eine Rolle gespielt haben. Wichtigster Faktor dürfte allerdings der First-Mover-Advantage gewesen sein. Durch den Schritt, Bitcoin als Zahlungsmittel offiziell zu akzeptieren, sendet El Salvador ein Signal an eine aufstrebende Industrie, die über viel Geld verfügt und Hypes liebt. Aber auch eine Industrie, die es regulatorisch an vielen Stellen noch schwer hat. Das macht sich El Salvador nun zunutze, indem es weltweit für Schlagzeilen sorgt, die Aufmerksamkeit der gesamten Industrie auf sich zieht und einen regulatorischen Rahmen schafft. Natürlich fehlt es auch den Entscheidern an Krypto-Expertise – das scheint aber nicht weiter schlimm zu sein. Denn als First-Mover ist dem Land die Unterstützung der großen Player gewiss, allen voran Bitfinex und Blockstream, die El Salvador bei den Volcano-Bonds unterstützen. Das Ziel ist es, die Industrie in das Land zu locken und die heimische Wirtschaft anzukurbeln. Erste Zahlen zeigen, dass das durchaus funktionieren könnte: 2021 ist das BIP in El Salvador etwas mehr als 10 Prozent gestiegen (es ist das erste Mal, dass die Wachstumsrate im zweistelligen Bereich lag), der Tourismus stieg seit der Ankündigung um 30 Prozent an. Risiken scheinen neben dem Bitcoin-Kurs eher aus der Welt abseits der Krypto-Industrie zu kommen, vom klassischen Finanzmarkt. Probleme bereiten hier ein schlechtes Rating, die schlechte Performance der Staatsanleihen, die hohe Verschuldungsrate und dass das Handeln der Regierung die Aussichten auf einen Kredit über 1,3 Milliarden Dollar beim IWF gefährden könnte. 

Insgesamt werden die nächsten ein bis zwei Jahre für El Salvador wohl entscheidend sein. Persönlich stehe ich der Entscheidung des Landes positiv gegenüber und ich kann nachvollziehen, warum das Land das Risiko eingeht. Ich freue mich über die proaktiven Handlungen und das Potenzial der Entscheidungen des Landes für die Krypto-Branche. Egal, ob man diese Entscheidungen nun positiv oder negativ sieht – der Mut dieser Nation und der Wille zur Veränderung im Zeichen des Bitcoin verdienen Respekt. 

Sonnenuntergang in El Tunco, Surfer im VordergrundLukas Fiedler
Der Sonnenuntergang in El Salvador – so orange wie das Bitcoin-Logo.