NFTs zum Anfassen

Lukas Fiedler

17.07.2023 00:55

Eine Prismade Labs Soulbound-Karte steht auf einem TischMaren Tobis

Papier ist geduldig – und wirkt in Zeiten von Smartphone und Social Media zu Recht ein wenig verstaubt. Mit Prismade Labs stößt eine Firma in den Crypto-Space vor, die genau das ändern will.

Apps, Smartphones und eigentlich alles mit Bildschirm und Internet sind im Grunde die Weiterentwicklung von Papier. Dazwischen liegt ein oft unüberwindbarer Abgrund – sicher, mit gedruckten QR-Codes kann man diesen überwinden, aber oft stellt der QR-Code einen unangenehmen Bruch im Design dar. Besser kann es mit Bilderkennung und Augmented Reality (AR) funktionieren. Dabei steht man allerdings schnell vor der Herausforderung, dass die Software nicht alle Bilder gleich gut und eindeutig erkennt. Doch es gibt eine dritte Möglichkeit, bei der man sich zunächst ungläubig die Augen reibt. Denn bei dieser legt man ein Stück Papier direkt auf den Bildschirm eines Smartphones.

Der Ansatz fällt unter den Bereich der sogenannten gedruckten Elektronik. „Den ersten Hype um das Thema gab es in der zweiten Hälfte der 2000er“, erzählt Karin Weigelt. „Damals kursierte in der Industrie noch die Vision, dass jeder Joghurtbecher einen RFID-Tag enthalten wird und man so einfach aus dem Supermarkt läuft und automatisch bezahlt.“ Weigelt ist 42 Jahre alt und kümmert sich bei Prismade Labs um die technologische Entwicklung. Prismade steht für Printed Smart Devices – aber was steckt hinter gedruckter Elektronik genau? Nun, der Name ist Programm: „Es geht darum, Funktionalitäten auf Papier beziehungsweise Folien zu drucken. Das kann bis hin zu einfachen Rechenlogiken, Batterien oder Solarzellen gehen“, sagt Weigelt. 

Leitende Farbe, ein Swipe und künstliche Intelligenz

Zusammen mit ihrem 41 Jahre alten Co-Founder Jan Thiele hat Weigelt ein Produkt entwickelt, das sich erst mal hinter der nichtssagenden Patentnummer EP3577601B1 verbirgt. Worum es genau geht, versteht man am besten anhand eines Beispiels: Zwei bedruckte Papierkarten in Visitenkarten-Form liegen nebeneinander. Beide sehen für das bloße Auge genau gleich aus, sind aber doch verschieden. Denn zwischen der äußeren Farbschicht und dem Papier liegt der physische Teil der technischen Innovation von Prismade Labs: ein mit leitfähiger Farbe gedrucktes Muster. Leitfähig bedeutet, dass die Farbe tatsächlich Strom leiten kann. Das wird durch die Beimischung von Carbon- oder Silberpartikeln erreicht – sind genug von diesen Partikeln enthalten, berühren sich diese untereinander und sorgen für die leitfähige Eigenschaft der Farbe. Um jetzt den Bezug zwischen Papier und digitaler Welt herzustellen, ruft man im Browser des Smartphones eine Webseite von Prismade Labs auf und legt die Karte direkt auf den Bildschirm des Smartphones. Durch die grundlegende Funktionsweise von Touchscreens können diese auf Berührung durch leitfähige Materialien – etwa menschliche Finger oder eben leitfähige Farbe – reagieren. Das Display kann also die leitende Farbschicht erkennen, genauer gesagt, das Muster. Nach dem Auflegen der Karte muss man mit dem Finger einmal von unten nach oben über die Karte streichen. So entsteht aus dem Muster ein Signal, dass von Prismade Labs ausgelesen wird und eine vorher definierte Aktion auslösen kann. Bei der Auswertung des Signals wird übrigens auf künstliche Intelligenz gesetzt. Das ist notwendig, da jeder Swipe und jedes Handydisplay unterschiedlich sind. Die Sicherheit der Technologie ist dabei relativ hoch, denn potenzielle Angreifer benötigen nicht nur Zugang zur Software, sondern müssten auch die leitfähige Farbschicht reproduzieren können. 

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Jan Thiele und Dr. Katrin Weigelt in Chemnitz vor ihrem BüroMaren Tobis
Mitten in Chemnitz arbeiten Katrin Weigelt und Jan Thiele an der Interaktion zwischen Web3 und Papier.

Soulmade: Prints für NFT-Liebhaber

Aber was macht man mit dieser Technologie? Einen ersten Anwendungsfall haben Weigelt und Thiele im NFT-Bereich ausgemacht. Unter dem Produktnamen „Soulmade Origins“ setzen sie auf ein sehr menschliches Bedürfnis: Digitales auch physisch zu besitzen. Dazu haben sie eine Whitelabel-Lösung für Künstler und NFT-Projekte gebaut, mit der NFT-Halter sich Prints ihrer NFTs bestellen können. Um sich das besser vorstellen zu können, nimmt Karin Weigelt ein Bild von der Wand. Einen Handgriff später und sie zückt eine Karte, die auf der Rückseite des Bildes in einer Lasche gesteckt hat: die sogenannte Soulmade-Karte mit integrierter leitfähiger Farbe oder: die Verbindung zwischen Print und NFT. Neben dieser Karte ist auf der Rückseite von jedem Print ein QR-Code platziert. Scannt man diesen, gelangt man auf eine spezielle Webseite von Soulmade Origins. Anschließend legt man die Karte auf das Smartphone-Display und swiped von unten über die Karte nach oben. Hierdurch öffnet sich das digitale Echtheitszertifikat mit Informationen über das Kunstwerk und das zugehörige NFT. Die Brücke zwischen physischem Print und dem NFT dient nicht nur zur Information – durch die Absicherung ist es auch möglich, den Wert des NFTs in der realen Welt abzubilden und auf Wunsch die Anzahl der autorisierten Reproduktionen zu limitieren. Jede Künstlerin und jeder Künstler kann selbst bestimmen, welchen Gewinnaufschlag die eigenen Prints haben sollen. Dieser wird beim Verkauf vollständig ausgezahlt. 

Zusammen mehr als zwei Dekaden Erfahrung mit gedruckter Elektronik

Die Technologie selbst ist das Ergebnis von Weigelts und Thieles langjähriger Erfahrung mit gedruckter Elektronik. Beide beschäftigten sich in ihrem Studium mit Drucktechnik. Thiele brach allerdings die Universität ab und machte sich zunächst mit einer Marketingagentur selbstständig. Anschließend gründete er 2006 die Firma printechnologics GmbH. Die ersten Anwendungen von gedruckter Elektronik setzten damals noch auf das Zusammenspiel mit einem eigens entwickelten Lesegerät. „Das war noch zu einer Zeit, als Smartphones mit Touchscreen überhaupt nicht etabliert waren“, erinnert sich Thiele. „Über den US-Großkonzern 3M sind wir dann auch mit Anwendungsfällen im Sicherheitsbereich in Kontakt gekommen.“ 2010 wird Karin Weigelt Mitarbeiterin in der Firma, es folgen Pilotprojekte von Kosmetik über Lego bis zum Ü-Ei. Heute sagt Thiele: „Viele der Anwendungsfälle kamen viel zu früh, denn die großen Unternehmen wussten noch gar nicht, wie sie mit der Technologie umgehen sollten. Dazu kam, dass es den ganzen digitalen Content, den man heute sieht, noch gar nicht gab.“ Die Firma wird schließlich von T-Ink gekauft, wodurch sich auch die Arbeitsweise ändert.

In den Büroräumen von Prismade-Labs steht eine Art Werkzeug zur Herstellung von Soulbound-Karten

„Bei gedruckter Elektronik geht es darum, Funktionalitäten auf Papier und Folie zu drucken – das kann bis hin zu Rechenlogiken oder Solarzellen gehen." – Katrin Weigelt

Mit Prismade Labs starten die beiden neu durch, fernab von großen Gesellschafterversammlungen und lange dauernden Prozessen, auf die beide keine Lust mehr haben. „Über die Jahre sind viele Ideen in der Schublade gelandet. Den Start von Prismade haben wir mit kleineren Beratungsprojekten finanziert und in dieser Zeit ist dann die jetzige Technologie entstanden“, berichtet Weigelt. Aber wie genau unterscheidet sich Prismade Labs eigentlich von anderen Herstellern gedruckter Elektronik? „Grade in der Hype-Phase wurden weltweit relativ viele komplexe Produkte in diesem Bereich konzipiert, die dann auch speziell entwickelte Druckmaschinen zur Fertigung benötigten.“ Die Idee bei der gedruckten Elektronik ist laut Weigelt aber die, dass man in Massendruckverfahren durch hohe Volumina extreme Effizienzgewinne erzielt. Hier setzt die Lösung von Prismade Labs an: „Die Projekte sind oft gescheitert, weil sie in der Herstellung mehr kosteten als mittels herkömmlicher Silizium-Elektronikproduktion. Unsere Lösung lässt sich in vorhandene Druckstraßen einfach integrieren – damit sind wird die Ersten weltweit, die gedruckte Elektronik wirklich in Masse produzieren können.“ Zunächst fokussiert sich Prismade Labs auf die Patentierung der Technologie und Anwendungen im Sicherheitsbereich. Die Idee, etwa für Personalausweise: Statt visueller Kontrolle kann beispielsweise das Alter im Supermarkt oder Club direkt elektronisch über das Smartphone geprüft werden. „Seit letztem Jahr fokussieren wir uns aber sehr deutlich in Richtung Web3“, sagt Thiele, denn „wir werden noch einige Jahre zusammen mit großen Partnern arbeiten müssen, bis die Technologie in Ausweisen oder Banknoten zum Einsatz kommen wird. Das ist nicht unwahrscheinlich, aber es macht mehr Spaß im Web3-Bereich, der sich gerade viel schneller entwickelt.“ Nach nur fünf Monaten Entwicklung war mit Soulmade die erste Anwendung fertig.

Anwendungsfälle über Web3 hinaus

Natürlich gibt es noch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten für die Technologie, auch für Blockchain und NFTs. Einige Beispiele könnten in Zukunft sein: 

  • Gedruckte Zwei-Faktor-Authentifizierung: Der Vorteil einer leitfähigen Farbschicht gegenüber einem QR-Code ist, dass die Farbschicht nicht sichtbar sein muss. Dadurch könnte eine Schicht in eine Zugangs- oder Bankkarte integriert werden, mit der man dann in der Metamask- oder Bank-App auf dem Smartphone Transaktionen als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme freigeben kann.
  • „Nimm diese Karte, da steckt ein NFT drin!“: Tatsächlich kann auch gleich ein Private Key als gedruckte Schicht in beispielsweise ein Ticket oder eine Gutscheinkarte integriert werden. Scannt man nun die Karte, bekommt man direkten Zugang zu einem Wallet, auf dem ein bereits gemintetes NFT liegt. Statt also ein Wallet vor Ort auf einem Event anlegen zu müssen, können Einsteiger ein NFT in Form einer Karte mit nach Hause nehmen, noch bevor sie sich mit den Grundzügen von MetaMask, Private-Keys und Wallet-Management auseinandersetzen.
  • Physisches Trading-Card-Game: Auch im Gaming-Bereich sind Anwendungen denkbar, gibt es doch genügend In-Game Gegenstände, Skins, Trophäen und Erinnerungen, die man über bedruckte Karten ins echte Leben holen, sammeln, tauschen und digital aktivieren könnte.

Schon heute sind quasi alle Anwendungen über eine Einbindung der Prismade-Labs-API denkbar. Die Herausforderung: Wenn alles möglich ist, verliert man sich schnell und streut Ressourcen zu breit. Mit dem Blockchain-Bereich hat Prismade Labs eine Nische gefunden, in der Ideen und Projekte schnell umgesetzt werden können. Ein erster Anwender ist beispielsweise das NFT-Projekt Aavegotchi, bei dem die Community ihre selbst erstellten Kunstwerke, die sogenannten Verified Fakes, als Print bei Prismade Labs bestellen kann –weitere Projekte auch aus der traditionellen Kunst sollen folgen. Eines lässt sich mit absoluter Sicherheit sagen: Print ist nicht tot.