Porsches digitaler 911
Lukas Fiedler
17.07.2023 00:56

Kein NFT-Projekt wurde in den letzten Monaten so sehr erwartet, kritisiert und anschließend auch begehrt wie das von Porsche. Wer das Geschehen verstehen will, braucht mehr Input als nur von Crypto-Twitter: Wir sprachen mit Porsche selbst – und wagen einen differenzierten Blick auf das Projekt.
Porsche spielt in der Automobilbranche in Sachen Emotionen ganz vorne mit – und das schon seit mehr als 70 Jahren. In Sachen NFT endete das Qualifying für den Konzern aus Zuffenhausen am 20. November 2022 um genau 16:00 Uhr auf Twitter: Der neue Account @eth_porsche sendet seinen ersten Tweet. Ohne viele Infos und sehr vage, um den maximalen Effekt im Crypto-Twitter-Space zu erzielen. FOMO liegt in der Luft – also die Angst, etwas zu verpassen. Ein paar Monate später bleibt in der NFT-Szene teilweise Ernüchterung zurück. Porsches Projekt lief an vielen Stellen nicht wie erwartet und erhofft. Statt der maximalen 7500 NFTs wurden nur 2363 gemintet, also verkauft. Um zu verstehen, was passiert ist, muss man sich zunächst mit dem Projekt vertraut machen.

• Token-Standard: ERC721 • Blockchain: Ethereum • Maximale Anzahl an NFTs: 7500 • Davon tatsächlich gemintet: 2363 • Mint-Preis: 0,911 ETH (etwa 1480 US-Dollar zum Zeitpunkt des Mints) • Royalty-Gebühr: 0 %
Performance, Heritage und Lifestyle
Die Basis des NFT-Projekts bildet der legendäre Porsche 911. Das NFT zeigt dabei die Front des neusten Porsche 911 der Baureihe 992. Jedes NFT hat ein eigenes Nummernschild und erlaubt es, den Porsche nach eigener Präferenz künstlerisch anzupassen. Die Halter können zwischen den Optionen Performance, Heritage oder Lifestyle wählen, um ihren digitalen Sportwagen zu individualisieren. Die Designs wurden von Künstlern, mit denen Porsche zusammenarbeitet, entworfen. Aber wie kommt ein Konzern wie Porsche überhaupt auf die Idee, das Projekt so aufzubauen?
„Wir beobachten das NFT-Thema schon länger, nämlich fast anderthalb Jahre“, erzählt Deniz Keskin, Director Brand Management bei Porsche. „Tatsächlich hatten wir bereits ein Pilotprojekt, bei dem wir auf der NFT-Börse Superrare einen Freihand-Sketch von Peter Varga, unserem Exterieur-Designchef, versteigert haben“, ergänzt Lars Krämer, der im Innovationsmanagement arbeitet. Zusammen arbeiten sie mit 13 weiteren Kolleginnen und Kollegen seit Mitte 2022 am NFT-Projekt, wobei sie das Portfolio-Start-up Fanzone unterstützt. Auch wenn das Unternehmen Porsche seit mehr als 70 Jahren besteht und man deshalb denken könnte, dass Entscheidungen nur langsam gefällt werden: „Es gibt bei Porsche ein gutes Verständnis dafür, dass wir uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen dürfen und in neue Bereiche vorstoßen müssen. Und selbst wenn die Komplexität der Materie für viele bei Porsche Neuland ist, gab es genügend Vertrauen, um das Projekt relativ schnell und agil umzusetzen“, erklärt Krämer. Klar wird das an der Entscheidung, erstmalig in der Konzerngeschichte das Logo für den Web3-Auftritt anzupassen. Vor dieser Entscheidung habe man Respekt gehabt, sie im Team diskutiert und sich letztendlich als Signal an den NFT-Space dafür entschieden. Die eigentliche Freigabe? Eine Sache von drei Minuten am Telefon.
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Das Minting der NFTs strukturierte Porsche zeitlich durch vier sogenannte Wellen. Konkret bedeutet das, dass man ein Teil der ersten Welle sein muss, um auch als Erster das NFT minten zu können, danach folgen die weiteren Wellen in aufsteigender Reihenfolge und schließlich werden die verbliebenen NFTs an die verbliebenen Interessierten freigegeben. Um sich als Teil einer solchen Welle möglichst früh ein NFT sichern zu können, musste man entweder Halter eines NFTs der mit Porsche zusammenarbeitenden Künstler sein oder ein Event-NFT von Porsche während der Art Basel in Miami erhalten haben. Ein Vorteil: Sollte das Interesse sehr groß sein, können so durch einen Ansturm ausgelöste Probleme mit der Ethereum-Blockchain verhindert werden.
Eine neue Community
„Die Priorität mit unserem Projekt ist klar, die Web3-Community anzusprechen“, erklärt Keskin. „Denn für den klassischen Käufer unserer Sportwagen ist das Web3 nicht alltäglich Aber man muss auch betonen: Wir fokussieren uns nicht auf die Spekulanten, Investoren oder die finanziell motivierten Personen.“ Vielmehr geht es um die Pflege der Marke, fährt Deniz Keskin fort. Porsche ist eine Marke für bleibende Beziehungen und Werte. Darauf hatte auch die Auswahl der Künstler Einfluss, mit denen der Konzern zusammenarbeitet, um auch bei Kunstliebhabern Interesse zu wecken – denn ein Auto kann eben auch Kunst sein. Angesprochen auf die Besonderheit, dass Porsche keine Royalty-Gebühr auf Sekundärverkäufe erhebt, spricht Keskin von einem bewussten Signal. „Damit wollen wir zeigen, dass wir nicht wegen des Geldes in den Markt einsteigen.“
Hohe Erwartungen in einem schwierigen Marktumfeld
Aus Sicht der Krypto-Community kommt das Projekt von Porsche zu einer Zeit, in der NFTs längst kein Selbstläufer mehr sind. Zu viele Projekte gibt es und fast täglich kommen auf verschiedenen Blockchains, von Solana über Polygon zu Tezos, neue hinzu. Um ein NFT-Projekt erfolgreich zu starten, bedarf es einer treuen Anhängerschaft im NFT-Space. Die kann man sich entweder, wie viele native NFT-Projekte das gemacht haben, selbst erarbeiten – oder man bringt eine enorme Reichweite von außerhalb des NFT-Spaces mit, etwa als bereits etablierte Marke – wie es sich bei der Kultmarke Porsche anbietet. Gleichzeitig erwartet die Szene, dass vor dem Launch die Möglichkeit besteht, sich über einen Discord-Channel auszutauschen, sodass die Herausgeber auf das Feedback der Community eingehen können. Ob ein Projekt dann erfolgreich ist, hängt auch von einer klaren Roadmap und dem Mehrwert der NFTs ab. Die Stichworte hier sind Storytelling und Token-Gated-Content: Die Szene möchte emotional abgeholt werden und über das NFT exklusiven Zugriff auf spannende Events, Merchandise oder digitale Räume in Metaverse-Welten erhalten – das NFT soll also eine Art wertvolle Eintrittskarte sein, die mehr als nur Rabatte auf neue und teure Produkte ermöglicht.
Neben diesen Ansprüchen gilt es jedoch auch, den Kryptomarkt an sich zu betrachten. Durch den FTX-Crash sind sämtliche Preise eingebrochen, insbesondere von vielen NFT-Kollektionen. Darüber hinaus geht der Trend derzeit hin zu kostenlosen NFTs und Projekten, die keinerlei Limit hinsichtlich der Anzahl der NFTs festlegen. Das Ziel: eine möglichst große Community möglichst schnell aufzubauen.
Kritik aus der NFT-Szene
Bei dieser Ausgangssituation scheint es wenig verwunderlich, dass einige Entscheidungen von Porsche im Vorfeld des Mints umstritten waren und teils für heftige Kommentare unter den Tweets der Firma sorgten. Insbesondere der Mint-Preis von 0,911 ETH sowie das Ziel von maximal 7500 NFTs erschien vielen hinsichtlich der Marktsituation zu hoch gegriffen. Hier zum Verständnis: NFT-Projekte gelten meist nur dann als erfolgreich, wenn die Nachfrage die maximale Anzahl verfügbarer NFTs übersteigt. Zusätzlich stand auch die Kommunikationsstrategie der Zuffenhausener in der Kritik. Statt eines offenen Discord-Channels (Discord ist eine Social-Media-Plattform, in der Communitys sogenannte Server erstellen können, auf denen man sich in verschiedenen Kanälen zu bestimmten Themen austauschen kann) entschied man sich dafür, lediglich Neuigkeiten zu veröffentlichen und keinen Austausch innerhalb der Community zuzulassen.

Porsche: Totgesagt und doch begehrt
Es kommt, wie es kommen muss. Am Tag des Mints werden nicht wie erhofft alle der 7500 NFTs verkauft, sondern nur 2363. Kritiker und Experten sehen sich bestätigt: Der Preis war zu hoch, die mögliche Anzahl auch, Porsche habe die falsche Zielgruppe mit der falschen Strategie adressiert und sowieso nicht auf die Community gehört. Ungeachtet dessen schließt Porsche den Mint ab und korrigiert den Preis nicht wie gefordert nach unten. Stattdessen veröffentlichen sie die zukünftigen Pläne, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Halter des NFTs haben nun nicht nur Zugang zu einem Discord-Kanal, in dem man sich mit dem Team austauschen kann – es soll exklusive Events, Merchandise und einiges mehr geben. Auch wenn die Roadmap immer noch vage bleibt, verdoppelt sich der Preis der NFTs auf dem Sekundärmarkt (genauer gesagt der sogenannte Floor-Price, also der Preis des günstigsten NFTs einer Kollektion, das zum Verkauf steht).
Die Stunde Null – der Mint aus Porsches Sicht
„Zunächst einmal muss ich klarstellen, dass uns die Kritik aus der Szene auf keinen Fall egal ist“, beginnt Lars Krämer. Dass Porsche nicht auf jeden Tweet eingeht? „Bei manchen war es aber auch schwierig, rational zu antworten.“ Stattdessen setzte Porsche auf die direkte Kommunikation von Mensch zu Mensch. „Auf dem NFT-Now-Event in Miami haben wir mit vielen gesprochen, die eine hohe Affinität zu unserer Marke haben. Und natürlich kann man jetzt rückblickend nicht verheimlichen, dass der Preis online zu starken Diskussionen geführt hat. In den Gesprächen wurde vorab aber schon von vielen gemutmaßt, dass sich der Preis zwischen 0,5 und einem Ether bewegen dürfte“, verrät Keskin. Für den Brand-Manager ist klar: Porsche ist eine Marke, die relativ exklusiv ist, weshalb trotz der Kritik der Preis nicht verringert wird. „Gleichzeitig wollten wir aber auch nicht, dass unsere neue Community zu klein dimensioniert startet – daher auch die Entscheidung für die relativ hohe Obergrenze von 7.500 Stück. Wir wollten niemanden ausschließen.“
Während des Mints an sich war die größte Sorge von Lars Krämer zunächst die Technik, die dann ohne Probleme funktionierte. „Wir waren voller Vorfreude und Anspannung, aber die ersten zwei Wellen liefen extrem gut. Uns war bewusst, dass die dritte Welle der Knackpunkt werden würde, denn bei ihr haben wir mit vielen Investoren gerechnet.“ Auch wenn das Team nach dem Mint niedergeschlagen war – „Dass der Floor-Price nicht direkt ins Bodenlose gestürzt ist, war eine positive Nachricht für uns.“ In einem Gespräch zwischen Deniz Keskin und Lars Krämer am nächsten Morgen wird beiden klar, dass die neue Community gar nicht so klein ist. „Auf dieser Basis lassen wir das Projekt jetzt weiterwachsen“, erklärt Krämer, während Keskin sich besonders über den Austausch mit den NFT-Haltern in Discord freut: „Da herrscht wirklich ein ganz anderer Spirit.“ Das Team blickt nun mit den Learnings der Zukunft positiv entgegen. „Wir haben sehr viel gelernt und werden in den nächsten Wochen noch sehr viel lernen, auch bezüglich unserer Kommunikation“, sagt Keskin. „Wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, an der ein oder anderen Stelle auch anders zu sein. So ist Porsche eben!“