Vorstoß in neue Welten

Lukas Fiedler

17.07.2023 00:51

Ein Pixel-Character blickt durch eine Tür das Pixel-Universum – bzw. das Metaverse.Christian Wischnewski

Willkommen im Metaverse – aber in welchem eigentlich? Seit Unternehmen wie Samsung, Adidas und Gucci ihre Produkte als NFTs auf Plattformen wie Decentraland anbieten, steigt das allgemeine Interesse an den digitalen Welten. Was dort zählt, weiß Berater Elad Yakobowicz.

Unendliche Weiten, neue Welten, intergalaktische Reisen. Was erst einmal nach einer Erzählung aus der Serie Raumschiff Enterprise klingt, wird aktuell in der digitalen Welt Realität. NFTs sind im Mainstream angekommen, viele Firmen bringen bereits digitale Kollektionen heraus und experimentieren mit verschiedenen Ansätzen – sei es die Verknüpfung mit Musikrechten oder mit einer physischen Kollektion. Gleichzeitig hat auch ein anderer Begriff an Bedeutung gewonnen: Das Metaverse. Der Begriff „Metaversum“ taucht dabei erstmals 1992 in dem Science-Fiction-Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson auf, genau wie übrigens auch der Begriff „Avatar“. Aber was genau ist eigentlich das Metaversum? 

„Wenn man über das Metaverse spricht, muss man eine Unterscheidung vornehmen. Im Englischen macht es einen großen Unterschied, ob man das Metaverse mit großem oder kleinen Anfangsbuchstaben meint“, sagt Elad Yakobowicz. Der ursprünglich aus New York stammende digitale Nomade berät als Freelancer Projekte und Firmen rund um das Thema NFTs und Metaverse. Anders als die meisten kam er nicht über Bitcoin in die Szene, sondern 2018 über das NFT-Spiel Crypto-Kitties. Seitdem hat er sich Wissen und Expertise durch Ausprobieren verschiedenster Plattformen, Blockchains und NFT-Projekte angeeignet. „Schreibt man Metaverse also mit einem kleinen ‚m‘, so kann es mehrere davon geben. Jede Plattform, die sich selbst als Metaverse mit kleinem ‚m‘ bezeichnet, ist im Grunde eine digitale und vernetzte Welt. Spricht man vom Metaverse mit großem ‚M‘, dann geht es um ein Konzept.“ 

Dieses Konzept lässt sich am besten so beschreiben: Ein Metaverse ist ein digitaler Raum, der aus der Kombination der virtuellen und physischen Realitäten entsteht. Oft wird das Metaverse als die nächste Entwicklungsstufe des Internets angesehen, und es soll ein Ort sein, in dem Nutzer wie in der echten Welt miteinander interagieren können. „Der Unterschied zwischen Spiel und Metaverse ergibt sich aus der Frage, ob man in diesem virtuellen Raum einfach ohne Ziel ‚sein‘ kann, ohne etwas tun zu müssen“, so Yacobowicz. Tatsächlich muss ein Metaverse also zunächst nichts mit der Blockchain zu tun haben – das Spiel „Habitat“ aus dem Jahr 1985 wird als erstes Metaverse angesehen, es stammt also aus einer Zeit lange bevor der erste Bitcoin-Block gemined wurde. Seit den 2000ern sind einige weitere hinzugekommen. Spiele wie Second LifeWorld of WarcraftMinecraft oder Fortnite erfüllen alle die grundsätzlichen Voraussetzungen für ein Metaverse: eine spielinterne Wirtschaft, Multiplayer-Modi sowie hochgradig interaktive Spielmöglichkeiten. Das wirft Fragen auf: Wie kann man die verschiedenen Konzepte miteinander vergleichen? Und wie kommt die Blockchain ins Spiel? 

Eine Person hält sich eine Pixel-Maske vor das Gesicht und blickt, sitzend auf einem Stuhl, auf ein Handy.

„Der Unterschied zwischen Spiel und Metaverse ergibt sich aus der Frage, ob man in diesem virtuel- len Raum einfach ohne Ziel ‚sein‘ kann, ohne etwas tun zu müssen.“ – Elad Yakobowicz

Offen vs. Geschlossen

Eine wichtige konzeptionelle Unterscheidung ist die zwischen offenen und geschlossenen Metaverse-Welten. Ein geschlossenes Metaverse unterliegt der Kontrolle einer Firma oder eines Spieleentwicklers, außerdem ist fehlende Interoperabilität mit anderen Welten typisch. Die oben genannten Spiele sind solche geschlossenen Metaverse-Welten, wie auch der Metaverse-Plan von Meta (ehemals Facebook). Besonders an Metas Plänen gibt es Kritik. Sollte sich dieses Metaverse in Zukunft durchsetzen, hätte Facebook auch weiterhin Zugriff auf alle Nutzerdaten. So können beispielsweise die für Virtual Reality benötigten VR-Brillen des Herstellers Oculus, der von Meta gekauft wurde, nur noch mit einem Facebook-Account benutzt werden. Bei all den Kritikpunkten gibt es aber auch einen positiven Aspekt. „Natürlich ist die Vision von Meta nicht das, was wir mit dem offenen Metaverse erreichen wollen“, so Yacobowicz. „Es gibt aber eben auch keine schlechte Presse. Facebooks Namensänderung hat immerhin dazu geführt, dass plötzlich alle, ohne dass sie auch nur ein Produkt konkret herausgebracht haben, über das Thema Metaverse sprechen.“ 

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Damit man ein Metaverse als offen bezeichnen kann, sollten die folgenden drei Punkte erfüllt sein: dezentrale Kontrolle über das Metaverse durch die Nutzer, eine offene Wirtschaft im Spiel mit nachweisbaren Eigentumsverhältnissen (zum Beispiel durch NFTs) sowie die Interoperabilität mit anderen Plattformen. Interoperabilität bezeichnet dabei die Möglichkeit, Avatare, NFTs und Kryptowährungen in verschiedenen Welten einzusetzen und bei Wechsel zwischen ihnen mitzunehmen. Dabei gibt es einen fließenden Übergang zwischen geschlossenen und offenen Metaversen. Wie offen ein Metaverse ist, ist nicht selten abhängig von den Kapazitäten und Möglichkeiten der zugrunde liegenden Blockchain-Technologie. Denn um die drei Bedingungen für ein offenes Metaverse zu erfüllen, ist der Einsatz der Blockchain-Technologie als Basis unumgänglich. Durch einen Token können die Metaverse-Projekte dezentral, beispielsweise als DAO (dezentralisierte autonome Organisation), aufgebaut werden, während der Besitz von Avataren und anderen Gegenständen über NFTs geregelt wird. Yacobowicz erklärt den Vorteil der Blockchain für die Realisierung eines offenen Metaverse so: „Angenommen, man kauft ein Haus. In den westlichen Demokratien bringen wir unseren Regierungen Vertrauen entgegen. Es existiert eine zentrale Autorität, eine Souveränität, deren Entscheidungen bindend sind. Wenn diese Autorität dann also sagt, dass mir dieses Haus gehört, dann wird das auch in der Gesellschaft anerkannt. Aber was passiert beispielsweise in einer Diktatur, wenn der Souverän und die Gesellschaft unterschiedlicher Ansicht sind? Dann herrscht Chaos, und so ähnlich ist es auch im Internet. Was nun die Blockchain im Metaverse leistet, ist ein gemeinschaftlicher Konsens auf technischer Ebene darüber, wem eine Wohnung oder ein Gegenstand gehört.“ 

2-D vs. 3-D

Zusätzlich zur Klassifizierung in geschlossene und offene Metaverse-Welten lassen sich die Projekte natürlich auch hinsichtlich weiterer Kriterien, zum Beispiel der Grafik, unterscheiden. Neben klassischen 2-D-Welten gibt es natürlich auch 3-D-Welten mit unterschiedlich realistischen Darstellungen. Für Elad Yacobowicz ist Somnium das wohl realistischste Metaverse. „Zwar kommt kein Metaverse an die tatsächliche Realität heran, aber ich hatte tatsächlich in Somnium auf einer virtuellen Party mehr Spaß als auf manchen Partys im echten Leben. Ich habe sogar mit jemandem Salsa getanzt – das funktioniert sehr gut, selbst wenn man nichts spürt, weil man einfach so sehr in die Welt eintaucht.“ Gleichzeitig weist er aber auch darauf hin, dass es extrem schwierig ist, das Metaverse zu betreten. Denn: Um die volle Erfahrung machen zu können, benötigt man einen guten Computer sowie ein VR-Headset. Noch müssen Projekte also abwägen zwischen realistischer Grafik und einfachem Zugang. 

Digitaler Landbesitz: Die Lage bestimmt den Preis

Ähnlich wie in der echten Welt können Nutzer in vielen Metaverse-Welten übrigens digitale, in der Anzahl und Größe limitierte Landflächen kaufen, auf denen dann eigene Erlebnisse oder Shops gebaut werden können. Das haben bereits zahlreiche Firmen umgesetzt – darunter Samsung, H&M und Gucci, um nur drei Namen zu nennen – und fast täglich hört man von neuen Plänen etablierter Marken für Filialen in einem Metaverse. Meistens geht die Einrichtung einer solchen digitalen Filiale einher mit digitalen Events wie beispielsweise Produktvorstellungen. Der Grund, warum sich Unternehmen für das Metaverse interessieren, ist für Yacobowicz einfach ersichtlich. Die Menschheit verbringt einen immer größeren Teil ihres Lebens online. Das Metaverse wird laut ihm der Ort sein, an dem sich die Menschen aufhalten und eben auch von Unternehmen als Kunden gewonnen werden können. Nichts zeigt diese Entwicklung vielleicht so sehr wie die Ankündigung von Rapper Snoop Dogg, mit seinem kürzlich gekauften Label „Death Row“ Künstler im Metaverse herauszubringen und NFTs in den Fokus zu rücken – oder wie die erste Metaverse-Hochzeit eines US-Paars aus Phoenix vor 2000 Gästen in Decentraland. 

Durch das Facebook-Rebranding und den Hype rund um die virtuellen Welten sind die Währungen und Grundstücke vieler Metaverse-Welten bereits kräftig im Preis gestiegen. Zusätzlich hängt der Preis von solchen Grundstücken meistens auch von der Lage innerhalb des Metaverse ab. Auch dort gibt es Broadways und eher ländliche Gegenden. Die Frage, ob die Preise für Grundstücke aktuell überteuert sind, findet Elad Yacobowicz schwierig zu beantworten: „Ich weiß nicht, ob ich die Preise als zu hoch bewerten würde. Ich würde aber sagen, dass sie außerhalb der Reichweite des normalen Nutzers liegen. Während aber die Grundstücke innerhalb eines Metaverse meist in ihrer Anzahl limitiert sind und dadurch der Preis bei steigender Nachfrage ebenfalls steigt, ist die Anzahl der verschiedenen Welten nicht limitiert. Man hat immer die Möglichkeit, in einem anderen, neuen Metaverse günstig einzusteigen.“ Wie auch im echten Leben zahlt man also auch in digitalen Welten entsprechend der Lage und den Nutzerzahlen. 

Ob und welches Metaverse sich durchsetzt, muss sich erst noch zeigen. Das hindert Yacobowicz nicht daran, weiter zu denken. Im Gespräch kommt ihm eine Idee. Er erinnert sich daran, dass ein Staat per Definition festgelegte Grenzen und eine eigene Währung haben muss sowie von mindestens einigen anderen Migliedern der internationalen Staatengemeinde anerkannt werden muss. Wer weiß, vielleicht belässt es der Inselstaat Barbados nicht nur dabei, eine Botschaft im Metaverse zu haben und errichtet das erste staatlich anerkannte Gebiet im Metaverse.